rainer rosenberg

 

 

Hauptsache es rollt

 

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Zaungast

5.4.2020

Es war das Jahr in dem ich mein erstes „richtiges“ Fahrrad bekam. 5 Gänge, Huret Außenschaltung. Ich hatte gespart und knapp vor dem 12. Geburtstag fuhr ich mit meinen Eltern zum „Dusika“, Wien Fasangasse 30. Ich hatte dort schon Trittroller und Kinderfahrrad bekommen, und benannt nach der Adresse hieß das heiß ersehnte Fahrrad „DF 30“. Es hatte einen speziellen Lenker, der ähnlich geformt war, wie die schmalen Lenker schneller Motorräder. Der große Bruder eines Schulkollegen hatte auch ein Rad mit dieser Typenbezeichnung, allerdings mit 10 Gängen und Clips-Pedalen. So etwas traute mir mein Vater nicht zu…

1965 war also ein bedeutungsvolles Jahr – es wurde die nächste Stufe von Freiheit erreicht. Autonomie wäre nicht das richtige Wort, aber dennoch, durch die gesetzliche Erlaubnis mit dem Fahrrad Straßen benützen zu dürfen, wuchs der Aktionsradius des Zwölfjährigen. Ich hatte ein blaues dreistelliges Nummernschloss zum Absperren des Rades bei der Schule und sonstwo – die Zahl weiß ich noch heute: „602“. Ich könnte jetzt noch manches Detail des Fahrrades aufzählen, beschränke mich aber darauf zu sagen, dass ich als einziges Überbleibsel die Doppelzugbremsen noch immer auf einem alten Rennrad montiert habe, das auf seine Restaurierung wartet. Zwölf werden ist toll, aber wieso kommt gerade jetzt die Erinnerung auf?

 

1965 - ein Foto als Gedächtnisstütze

Dieses Foto hat mein etwas älterer Schulkollege Christian Schallenberg

gemacht, unlängst hat er es wiedergefunden und auf Facebook gestellt. In eben diesem Jahr 1965 fand auf der Klosterneuburger Seite der Höhenstraße ein Auto- und Motorradrennen statt. Ich wohnte mit meinen Eltern sehr nahe beim Start, Christian hatte 400m Luftlinie zur ersten scharfen Linkskurve und dort stand er mit seinem Fotoapparat, später schrieb er auf die Rückseite des Fotos „Karl Böhringer“. Der junge Mann (Jahrgang 1941) am Steuer des Rennwagens hat seine Leidenschaft übrigens nicht aufgegeben, fährt heute noch Autorennen und ist mit seinem Holbay Escort immer wieder im Histo-Cup an der Spitze zu finden.

Für uns Kinder kam damals die große Welt nach Klosterneuburg – am Tag des Trainings waren die Gassen voll mit Rennwägen und Motorrädern. Der große Star – er startete für Abarth – war Hans Hermann. Er fuhr zweimal: mit einem 2 Liter Spider und einem 1000TC bei den kleinen Tourenwagen. Damit Abarth möglich viele Siege verbuchen konnte – schließlich erhielt der gebürtige Wiener Karl Abarth für jeden Sieg eine Prämie von Fiat – bekam Klaus Steinmetz jeweils ein Auto, das eine Nummer (oder Klasse) kleiner war – einen 1600er Spider und einen 850TC. Toni Fischhaber und Walter Schatz fuhren mit Lotus 23, der eine mit BMW, der andere mit BRM Motor. Einer meiner persönlichen Helden war Fritz Baumgartner, der mit einem Mini superschnell war. Ein uns Buben besonders faszinierendes Fahrzeug war ein KTM Comet Moped, das einen selbstgebauten Motor (so sah es zumindest aus) mit drei Zylindern hatte und in der Klasse bis 125 ccm an den Start ging (wenn ich mich richtig erinnere).

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Irgendwo in einem alten Papierstoß sollte ich noch dieses Programm haben, mir ist es viele Jahre später einmal in die Hände gefallen und ich war erstaunt, dass ausgerechnet dieses Relikt übriggeblieben ist. Und jetzt kam das Foto von Karl Böhringer des Weges, der beim Histo-Cup mit seinem Auto immer wieder in derselben Boxengasse steht wie ich. Mit Georg, seinem Sohn teile ich übrigens manchmal die Box…

 

Beim Nachbarn, hinter dem Zaun

Aber gehen wir wieder 55 Jahre zurück – das Grundstück unserer Nachbarn reichte genau bis zu dem Punkt der Höhenstraße, an dem gestartet wurde, und ich wurde eingeladen, direkt an der Starlinie zuzusehen, nur von einem alten Zaun getrennt vom spannenden Ereignis. Tausende Menschen sind an diesem 3.Oktober gekommen, die Plätze bei den Kurven waren voll und ich konnte zusehen, wie die Autos mit durchdrehenden Rädern starteten und die Motorräder losfuhren, wenn die Startflagge gesenkt wurde. Sehr spektakulär war das allerdings auf Dauer nicht, Motor heult auf, Auto fährt los und verschwindet nach der ersten Kurve. Das war wohl für meine Eltern sehr beruhigend, denn beim zweiten Lauf kam ein Triumph von der Strecke ab (genau in der Kurve, wo das Böhringer Foto geschossen wurde) und stürzte in den Zuschauerbereich. Rennabbruch, große Aufregung, zum Glück keine Katastrophe. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es einen Beinbruch, aber es hätte viel schlimmer kommen können.

Das war das letzte Höhenstraßenrennen, bei dem um die Wette gefahren wurde. Später gab es nur mehr Gleichmäßigkeitsfahrten und da hatte ich schon Gelegenheit mit einem alten Alfa Spyder mitzufahren.

Die Höhenstraße war viele Jahre lang unsere Übungspiste – mit dem Fahrrad, dem Moped (vor allem bergab, wenn frisch gemäht war, ging eine ganz spezielle Kurve „voll“), mit dem ersten Auto. Je langsamer das Fahrzeug war, desto toller war Bergabfahren… Unfälle hatte ich woanders, zum Vorsichtig-werden brauchte ich einige Zeit.

Später kann man erleichtert zurückblicken – auf die Schürfwunde beim Fahrradfahren, den abgebrochenen Fußraster am Moped, den Blechschaden beim Auto. Ich habe immer wieder versucht, diese Faszination abzuschütteln, habe alle Autozeitungen verschenkt, die kleine Altauto-Sammlung verkauft. Es hat wenig genützt, immer wieder kamen Rückfälle, geblieben sind derzeit Ginetta, Van Diemen, Alexis.

Und ein Dusikafahrrad habe ich auch noch - 1980 neu gekauft, sein Vierziger sollte heuer gefeiert werden. Mit ihm habe ich schon einiges erlebt, eine Fahrt zum Großglockner, ein Radtour mit Jugendlichen für das Radio von Studio zu Studio – Wien, Graz, Klagenfurt.

 

Die Edelweißspitze wird es bei der Jubiläumsausfahrt wohl nicht werden, zur Klosterneuburger Rollfähre zu fahren, klingt etwas realistischer, schließlich ist das Leistungsgeweicht der Rad/Fahrer-Kombination über die Jahre nicht besser geworden.

Ob wohl das durch den Zaun Schauen schuld ist, oder die „falschen“ Freunde, oder doch einfach die Freude am Rollen? Egal ob mit Fahrrad, Vespa oder Auto? Bergab, bergauf, im Kreis und einfach unterwegs von A nach B.

 

Season of the witch

18.10.2019