13.8.2018
Von
Anbeginn der Existenz von Automobilen wird um die Wette gefahren. „Um die
Wette“ ist eine anthropologische Konstante, von der Tabelle der 2. Liga West
bis hin zu irgendwelchen Ranglisten der besten Schönheitschirurgen in
Ostösterreich.
Bei
mir hat es mit dem Kinder-Fahrrad begonnen - mit einem Hindernisparcours in der
zweiten Seitenstraße links, wer mit dem Fuß den Boden berührte, bekam einen
Schlechtpunkt. Mit Mopeds ging es weiter, eher in der „serienmäßig“ Klasse,
aber wenn es bergab Kurven gibt, ist Wettbewerb schon möglich. Dann kam eine
längere Pause, ältere Autos wurden angeschafft, Teilnahme bei
Oldtimer-Ausfahrten mit Gleichmäßigkeitsprüfungen und Quizfragen. Dann aber kam
Ginetta* und damit der Wunsch regelmäßiger zu versuchen auf Rennstrecken
halbwegs ordentliche Runden zu drehen. Die passenden Veranstaltungen waren bald
gefunden, und ähnlichen Geistes Kinder fortgeschrittenen Alters trafen einander
regelmäßig bei offiziell Gleichmäßigkeitsfahrten auf Europas Rennstrecken…
Den
notwendigen historischen Hintergrund verschaffte die Literatur: nicht nur
Ersatzteile sind für alte Autos mitunter eine Rätselrallye auch die
einschlägige Literatur. So bekam ich aus Zypern eine lange gesuchte Ausgabe des
„Practical Motorist“ aus England: Ich wusste, dass die Ginetta mit der
Nummerntafel "25 URO" 1964 von Automobilweltmeister Graham Hill
getestet wurde (Es ist der seriöse Herr, der auf dem Cover Zeitschrift seine
linke Hand auf die offene Motorhaube legt).
Bei
den üblichen Antiquariaten fand ich das Heft nicht, aber in Zypern hat offenbar
ein älterer Motorfan ziemlich viele Schätze zurückgelassen. Der freundliche
zypriotische Antiquar schickte das Heft und ich nehme an, dass dieses Heft für
Ginetta-Besitzer ziemlich toll ist.
Um
etwas näher an Graham Hill heranzukommen, wähle ich einen Umweg weiter hinein
in die Geschichte des Motorsports - mit einer Erinnerung an den berühmtesten
englischen Niemals-Automobilweltmeister: Stirling Moss. Weit über 80 Jahre ist
er, und er hat - so wie der Titel seiner Autobiografie heißt – „Alles nur nicht
mein Leben“ für seinen Sport gegeben. Stirling Moss, 1929 in London geboren,
stammt aus einer motorbegeisterten Familie, die Mutter fuhr Trials, der Vater
im englischen Brooklands oder im amerikanischen Indianapolis im Kreis - auf
Ziegelpisten und überhöhten Kurven. Stirling machte schnell Karriere. 1958
wurde er wieder einmal nur zweiter in der WM, diesmal um nur einen Punkt.
Warum? Er setzte sich gegen die Disqualifikation seines Landsmannes Mike
Hawthorn bei einem WM-Lauf ein, und der wurde dann Weltmeister...
An
dieser Stelle lässt sich ein Bogen zu Ginetta spannen:
Graham
Hill, ja, der Vater des späteren Weltmeisters Damon Hill, wird in diesem Heft
von Stirling Moss so beschrieben: "Ein Fahrer, der mit weniger Fähigkeiten
mehr erreichte als die meisten." Immerhin: Hill gewann fünfmal in Monte
Carlo, siegte in Indianapolis, war zweimal Weltmeister - ein „sehr guter,
beständiger und aufmerksamer Fahrer“, aber - und jetzt kommt der Punkt: „Graham
could be quite dirty“, er konnte „schmutzig“ fahren. Hill selbst wurde 1964 in
Mexiko von einem Ferrari angefahren, und dann wurde ein anderer Ferrari-Fahrer
(John Surtees) Weltmeister, aber das meint Moss sicher nicht - Hill war
möglicherweise der Auslöser für den Unfall, der Moss fast das Leben gekostet
hätte.
Goodwood
1962, Hill war in Führung, Moss fuhr nach einem Boxenstopp überrundet weit
hinten liegend Rekordrunden. Er wollte den Führenden überholen, um weiter
Rückstand gutzumachen. Unfall, 38 Tage Bewusstlosigkeit. Als er ungefähr ein
Jahr später wieder einen Rennwagen probierte, erreichte Moss sofort wieder sehr
gute Rundenzeiten, aber er fuhr nicht mehr so „automatisch“ wie früher – „Ich
musste bewusst daran denken, was zu tun war“, bemerkte es, und gab am selben
Tag den Rennsport auf. – „Alles nur nicht mein Leben“.
Graham
Hill starb bei einem Flugzeugabsturz im Jahr 1975, wurde 1962 - im Jahr von
Moss' Unfall - Weltmeister und 1968, in dem Jahr als Jim Clark starb. Im Sommer
1964 also testete Graham Hill für die englische Autozeitschrift "Practical
Motorist" eine von der Redaktion zusammengebaute Ginetta G4. Schon damals
lief sie 110 Meilen schnell, dem Weltmeister war die Ginetta eher zu laut, aber
„The Ginetta is one of the prettiest small cars I've seen“. Und: Die Bremsen
waren gut, die Straßenlage und auch der Motor. Funktioniert bei meiner Ginetta
inzwischen auch, aber um die Wette fahre ich jetzt - wie mein Kollege Egi sagt
– einen Einbaum. Mit schwächerem Motor und weniger Gewicht, einen richtigen
Rennwagen ohne Straßenzulassung. Und ich gebe es zu, es ist ganz toll, in der
letzten Runde eines Rennens noch drei Mitfahrer überholen zu können.
Auf
die Frage, was denn daran so toll sei, was soll ich antworten? Viel mehr als
die Überschrift bleibt mir da nicht zu sagen…
Dank an Peter Tomschi für das Foto mit den drei Rennautos.