rainer rosenberg

 

 

Hauptsache es rollt

 

 

 

 

Rainer K. will das (Un)mögliche

14.11.2018

 

So, jetzt möchte ich mich einmal bei Rainer Küschall bedanken. Er hat durch einen kleinen Satz dazu beigetragen, dass ich einen Kindheitswunsch in die Tat umgesetzt habe. Rainer ist übrigens ein wirklicher Spezialist für rollende Fortbewegung, allerdings nicht freiwillig, aber dafür höchst erfolgreich – schließlich hat er Rollstühle entwickelt, die Geschichte geschrieben haben.

Das ist jetzt nicht das Hauptthema, aber es muss erzählt werden: Rainer Küschall hat sich als 16-Jähriger das Genick bei einem Sprung in zu seichtes Wasser gebrochen. Er hatte Glück, dass er überlebt hat, auch wenn dieses Glück zunächst eher zweifelhaft daherkam. Tetraplegiker zu sein bedeutet, dass alle Extremitäten mehr oder weniger stark beeinträchtigt sind – bis zur kompletten Lähmung.

 

Fast ein Todesurteil

Ein Bruch des vierten Halswirbels war in den 1960er Jahren fast ein Todesurteil. Spitalsaufenthalt, dann – weil man im Winter, so schildert er, Betten für verunfallte Schifahrer brauchte – Verlegung in eine Art Pflegeheim in den Schweizer Bergen. R.K. lag nur im Bett und konnte die Decke im Zimmer anschauen. Er bat, dass man in dem von Nonnen geführten Haus eine Weltkarte am Plafond über dem Bett befestigen möge. Der Wunsch wurde erfüllt und an viele Orte, die er da isoliert in den Bergen im Geiste bereist hatte, ist er in den folgenden Jahrzehnten auch gekommen, soviel sei vorweggenommen.

Warum? Weil sich ein Mädchen an ihn erinnert hat, weil er Glück hatte, weil es in England ein Reha Zentrum für Piloten gab, die im zweiten Weltkrieg verunfallt waren, weil er sich nicht zufrieden gab, weil er Spitzensportler wurde, weil er erfolgreicher Unternehmer wurde und – das ist wohl das wichtigste – weil er einen Rollstuhlerfunden hat, der nicht als schweres Stahlrohr Monstrum daherrollt, dem nicht das Wort „Behinderung“ an jedem seiner Rohre klebt, sondern einen, der sagt „Mitleid war gestern“. Doch gemach.

Ein Mädchen also erinnerte sich an R.K., im Winter vor dem Unfall hatte man einander beim Schifahren kennengelernt. Sie hatte lange nicht von ihm gehört und sich auf die Suche gemacht und ihn in den Schweizer Bergen gefunden, als alle noch mit seinem baldigen Tod rechneten. Sie fand heraus, dass es die Rehabilitationsforschungen von Ludwig Guttmann und das Zentrum in Stoke-Mandeville in England gab und es wurde möglich, dass Rainer aus der Schweiz nach England geflogen wurde. Dort betrachtete man ihn nicht als Todeskandidaten sondern als einen Menschen mit Chancen. Noch heute kann er von seinem ersten Ausflug in ein Pub schwärmen, und von der Erweiterung seines Horizonts durch sportliche Betätigung.

Sport, Ausbildung, Beziehung und sogar eine Arbeitsstelle in der Schweiz folgten. Ausgerechnet an dem Tag, an dem er draufkam, dass der Job doch nichts für ihn war, kündigte auch seine Freundin, aber er hatte eine Idee: „Bitte bring mir den alten Rollstuhl und stell‘ ihn auf den Küchentisch“. Und er schaute den alten Everest and Jennings Rollstuhl so lange an, analysierte ihn in seinen Teilen, bis er wusste, dass ein Rollstuhl kein Monster sein musste. Das war 1976, er begann mit der Produktion von Rollstühlen und 10 Jahre später wurde ein von ihm entwickelter Rollstuhl im Museum of Modern Art in New York ausgestellt - und revolutionierte die Art, Rollstühle zu bauen.

Rainer will immer das fast Unmögliche, nennt es „möglich“ und sehr oft gibt ihm die Geschichte recht.

 

Der kleine Satz

Vor einigen Jahren habe ich Rainer das erste Mal in Monza getroffen, besser gesagt seinen Rennwagen. Einige Crossle 9s standen im Fahrerlager. Ich war mit meiner Ginetta auf Achse angereist und einige dieser Rennsportwagen standen im Fahrerlager herum, ich begann zu recherchieren, was das für Autos sind und stieß dabei auf Rainer Küschall und seine Geschichte (er hatte seinen Crossle so umgebaut, dass er zB. mit einem Schlauch an dem man blasen kann, die Gänge wechseln konnte. Nach seiner Karriere als Unternehmer und Rollstuhlrennen-Gewinner war er in den regulären Motorsport eingestiegen und war auch da erfolgreich. Ich fuhr damals mit der Ginetta in der Gleichmäßigkeitsklasse und wollte eigentlich an richtigen Geschwindigkeitswettbewerben teilnehmen. „Ich hab dir zugesehen“, sagte er auf meine diesbezügliche Frage „du bist ein Racer. Ich glaubte ihm, kaufte den kleinen Formel Ford und habe jetzt schon die zweite volle Saison hinter mir, gewann das eine oder andere Rennen in meiner Klasse und wurde zweimal Gesamtzweiter.

Es gibt einzelne Sätze im Leben, die es verändern, Rainer hat einen solchen ausgesprochen und deshalb danke ich ihm.

 

Glückliche Männer

4.10.2018