Diplomatisches
Corps
1.8.2018
Wer benützt
wohl einen großen Jaguar mit WD Kennzeichen? Zwei „weiße Mäuse“ (heute nennt
man das wohl Motorrad-Polizeistreifen) kreisen im mit Pollern geschützten
Bereich in der Fußgängerzone am Minoritenplatz in
Wien, Kameras an jeder Ecke, vier Wagen mit Magnet-Blaulicht, ein Range Rover
mit WD-Kennzeichen - sieht nach britischem Besuch im Außenministerium aus.
Früher war im selben Häuserblock der niederösterreichische Landtag
untergebracht, das Innenministerium ist noch immer da, nicht weit von der
Gedenktafel für den Offizier der kaiserlichen österreichischen Armee Johann Pollet, der sich vor 170 Jahren geweigert hat, auf die
1848er Revolutionäre, die zum Niederösterreichischen Landhaus marschiert waren,
schießen zu lassen.
Michael
Köhlmeier empfiehlt heute im Interview mit den Salzburger Nachrichten, man
solle statt den Innenminister zu fürchten, lieber über ihn lachen. Lachen – das
ist ja ein letztmöglicher Ausdruck einer oppositionellen Haltung z.B. gegenüber
einem Vernehmenden. „Dem Tod ins Angesicht lachen“ – so an- bzw. ausgelacht mag
der Folterer zum härtesten Werkzeug greifen - man sollte diese Art Lachen
wirklich nur für Extremsituationen aufheben.
Eine
Bank im Schatten
Die Szene
war für mich zu beobachten, weil ich etwas mehr Zeit hatte, suchte eine Bank im
Schatten, wollte nichts konsumieren. Also Minoritenplatz.
Viele Zigarettenstummel am Boden - dafür werden die Kameras also noch nicht
eingesetzt. Ein „Coffee to go“
Kartonbecher steht auf der Bank, ich muss mich überwinden, ihn nicht wegwerfen
zu gehen. Aber Mistkörbe sehe ich sowieso keine am Platz, da stehen wohl
Sicherheitserwägungen dahinter, nur etwas entfernter einige graue
Plastik-Mülltonnen auf Rollen. Bevor es „ernst“ werden könnte, lassen sich die
leicht wegräumen… Ich befinde mich im Epizentrum der Staatsmacht: Kanzleramt,
Innen-, Außen-, Bildungsministerium, in der Mitte die historische Kirche.
Unlängst war ich Besucher des Haus-, Hof- und Staatsarchivs - ebenfalls von
hier aus zu betreten - und war begeistert: von gefälschten Stammbäumen, echten
Urkunden und einem Gebäude mit Stockwerken aus Stahlarchitektur, die an
Alexandre Gustave Eiffel und seinen berühmten Turm erinnern.
„Wir sind –
auch -, was andere vor uns gewesen waren.“ sagte Köhlmeier sinngemäß auch im
SN-Interview, und das heißt wohl „Ohne Geschichte keine Geschichten“. Demnach
sind wir so etwas wie Geschichtenspeicher: irgendwie verarbeitet trägt man
Erzählungen mit sich herum - angefangen von der Bibel, über Mythen und Märchen
bis zur Zeitung von gestern, ist beeinflusst von Begegnungen mit Anderen. Auch
von den Menschen rund um den Minoritenplatz, aber
nicht nur von denen, über die wir lachen könnten, auch von solchen, die uns
ärgern - zum Beispiel nach dem Einparken des Motorollers.
Auch
Roller brauchen Parkplätze
Parkplätze
in der Innenstadt sind rar auch für Zweirad-Fahrende, es gibt zwar Parkplätze
für Einspurige, offiziell und informell, aber auch die sind oft voll. Heute war
beim dritten solchen Parkplatz noch ein Spalt übriggeblieben. Ich parkte mich
fröhlich ein, während der Fahrer eines schwarzen SUV auf einem halben
verbliebenem PKW-Parkplatz vor einer für eine Botschaft reservierten Zone sein
Glück versucht. Der Fahrer steigt aus, wirkt eigentlich freundlich aber doch
verärgert, beschwert sich über den Roller neben mir. „Ich zahl Steuer“ und
zeigt auf die Autobahnvignette. Ich fühle mich als ebenfalls Steuer zahlender
Rollerfahrer angesprochen, verweise aber nicht auf die geltende
Autobahn-Vignettenpflicht auch für Zweiräder, sage dann doch: „Schaun sie, der ist für eine Person, und ihr Wagen ist für
eine Person“. Ja`, aber der Rollerfahrer hätte einen Spalt gelassen (den von
mir genützten…). „Könnte ja sein, dass da jemand weggefahren ist“. „Keine
Steuer zahlen und Parkplätze brauchen“… ich gebe zu, ich gab den Tipp, der
eigentlich freundlich wirkende doch mehr als einen halben Parkplatz brauchende
SUV-Fahrer könnte ja in die nahe liegende Parkgarage fahren. Den Nachsatz,
„sie“ – Blick auf das Auto – „werden es sich doch leisten können“, hätte ich
mir wohl sparen können.
Ein heißer
Vormittag hat begonnen.