Froh
muss man sein…
20.9.2018
…wenn, ja, wenn zum Beispiel jemand, dem es reicht, nach
Brüssel will und nicht zu einem Glücksspielkonzern geht.
…wenn, ja, wenn man beim Namen Lilly an „The Who“ und „Pictures of Lily“ denkt und nicht an eine mit einem Juristen
verheiratete Sekretärin, von der in letzter Zeit mitunter die Rede war…
Oder: wenn man in der Früh wieder ganz normal aufwacht, das
Wetter beim Blick durch das Fenster erkennt und nicht auf das Smart-Phone
drückt, um bei „Wetter“ nachzusehen.
Als also der Blick aus dem Fenster sagte, ein schöner Tag sei
zu erwarten, und ich bei einem Auto durch Fahren eine Batterie aufladen sollte,
zog es mich zu dem oben abgebildeten Esel. Die Störche sind schon weg, mein
Lieblingsheuriger wird gerade renoviert, also ein Stück gehen. Nicht schnell
genug sein, um den Schatten einer Libelle am Weg fotografisch festzuhalten,
aber schnell genug, um so langsam zu sein, um FahrradfahrerInnen
im Weg zu gehen. Als ich am Tag davor am Straßenrand mit dem Rad unterwegs war,
ignorierten mich ein Posttransporter und ein Autobus, am Weg entlang des
Schilfes ging es dann dem Fußgänger mit RadlerInnen so.
Alles gut, bei der nächsten Kreuzung hat sich der Postfahrer entschuldigt, ich
fand, es solle nichts Schlimmeres passieren, und genauso dachte ich beim Gehen.
Es geschieht ohnedies dauernd Schlimmeres. Verzweifelter
Protest wird mit Mordverdacht quittiert, „töten“ sehen manche wieder als
geeignete Problemlösung, Armen etwas wegzunehmen, diese Drohung wird als
Motivationshilfe betrachtet, Gemeinheit als Unterhaltung. Jahrzehntelang habe
ich mich bemüht – bei aller Kritik „das Positive“ zu sehen, Jugendliche
die sich engagieren, oder Menschen, die mit einer Gruppe von Menschen mit
schwerer Behinderung unter schwierigsten Bedingungen eine Eissalon besuchen.
Aber diese Szene man als Beispiel dienen, wie sich meine Wahrnehmung geändert
hat: wieso frage ich mich, stellt sich der muskulöse Mann so deutlich mit Blick
auf die nette Gruppe, die darum kämpft eine kleine Freude zu genießen? Mitleid,
starren, wie bei einem Unfall? Ich weiß es nicht. Bei der Bankfiliale daneben patroulliert jedenfalls ein Security-Mitarbeiter, und ich
frage mich, ob das wohl die Versicherung von der Bank verlangt, oder, ob jemand
glaubt, dadurch werden die Sicherheit und dazugehörige Gefühle verbessert. Ich
fühle mich ja meistens durch Hinweise, wie sehr auf meine Sicherheit geachtet
wird, verunsichert. Die Funkstreifen und andere Einsatzfahrzeige hupen jetzt im
Einsatz fast dauernd – ich erkundige mich warum und erfahre, dies sei jetzt
Teil der Ausbildung der Chauffeure, damit niemand bei einem Umfall sagen kann,
„habe das Einsatzfahrzeug übersehen und überhört“. Aus rechtlichen Gründen also
Lärm und Signale, wie gefährlich das Leben ist. Statistische Erwägungen?
Sinnlos. Österreich ein sicheres Land? Egal, es ist ja auch in den Medien –
egal was passiert – immer ungefähr gleich viel Platz für Unfälle. Für eine
gewisse Dosis reicht es immer. Hund beißt Kind, Wanderer stürzt ab, Ausländer
betätigt sich mit Fahrrad als Geisterfahrer auf der Autobahn. Oder ein
Pensionistin. Oder sonst irgendwer. Wir wollen gekitzelt werden wie ein
Kleinkind. Angstlust.
Angst und Erregtheit
Im Netz kursieren immer wieder Zitate, man möge den Anfängen
wehren und diese Zitate stehen dann je nach Algorithmus neben
ausländerfeindlicher Hetze, und wenn man Pech hat, hetzen die „Guten“ im Stil
der „Bösen“ gegen, jene, die dafür gehalten werden. So wie eben die „Bösen“
gegen die Guten, weil man so sehr erregt ist oder „gereizt“, wie es Bernhard
Pörksen in seinem viel besprochenen Buch nennt, Erregung gefällt mir da als
Begriff besser, weil dieses Wort näher zur Sphäre der Sexualität führt, und all
die Erregtheit, die blinde Furcht - sie beruhen möglicherweise auf permanenter
Anspannung ohne Entspannung. Der Boulevard dreht die Schraube jeden Tag weiter,
die geliebte Fußballmannschaft gewinnt nicht, und das grundsätzliche Bedürfnis
nach Nähe und Liebe und Geborgenheit war vielleicht nicht einmal in der
Kindheit. Alle die mit einem zu tun haben fühlen sich überfordert: die Eltern,
die Kindergartenpädagoginnen (sie dürfen ja nicht mehr KindergärtnerInnen
heißen), die LehrerInnen – auf dem Jagd nach dem Schutz des Selbst zerschellen
sie an den eigenen Schutzmauern, die zu ihrer Sicherheit aufgebaut wurden:
Noten müssen belegt werden können, sonst verliert man vielleicht einen Prozess,
Patientenaufklärungsgespräche müssen protokolliert werden, damit man Versagen
verneinen kann, Bäume müssen umgeschnitten werden,
damit sie nicht umfallen können, und dadurch Haftungsfragen laut werden.
Blöd eigentlich, dass Hiob keinen Prozess geführt hat, als
ihm sein Unglück zu viel geworden war.
PS: habe die ersten drei Sätze absichtlich nicht
weitergeführt. Der Profil Artikel über Lilly ist übrigens nicht mehr auf der
Homepage des Mediums, das Wetter ist fast immer so, dass irgendwer jammern
kann, und der Weg nach Brüssel mag holprig sein. Statt Gereiztheit empfiehlt
sich übrigens Opposition, aber nicht mit dem Bi-Händer.
PPS: Hinter dem Schilf ist ein See. Auch wenn man nur den
Himmel sieht: