rainer rosenberg

 

 

genug gefragt

 

NEU: hier und jetzt auch zu hören

 

Ich-Botschaft

Ich gestehe, wenn diese Rubrik „genug gefragt“ heißt, soll das bedeuten, dass ich mich nach jahrzehntelangem Fragen stärker auf das Schildern von Beobachtungen, Erlebnissen und Reflexionen konzentrieren wollte.

Über das ICH im Journalismus gibt es ja sehr viele Diskussionen. Seriöse Medien, wie etwa die FAZ, wollen es noch immer nicht, manche flüchten sich in ein „Man fragt sich…“ und machen damit nichts, als ein persönliches Fürwort in etwas Verallgemeinerndes zu verwandeln. Ähnlich wie Menschen, die z.B. auf eine Radiosendung reagieren und dann „wir“ statt „ich“ schreiben, wenn sie empört sind, ohne zu sagen, wer denn mit diesem „wir“ gemeint sei.

Das „man“ wurde durch so manches Rhetoriktraining überwunden, und das unpräzise „wir“ könnte mit der Zeit aussterben, wenn es nicht durch ein fiktives Identitäts-Wir ersetzt wird.

ICH aber hat größte Konjunktur – was nicht bedeutet, dass da Ich-Stärke dahintersteht, eher ein bestimmtes Rollenverständnis, eine demonstrierte eigene Bedeutung - im Gegensatz zu allgemeiner Bedeutung?

 

Fragen ohne Antworten

Genug gefragt. Den Titel der Rubrik könnte man vielerorts anwenden. Fragen hat ja keinen Sinn, wenn man bemerkt, dass die Person, die gefragt wird, nicht antworten will, sich – vornehm formuliert – dem Sprachspiel „Frage/Antwort“ verweigert. Es hat auch keinen Sinn, wenn z.B. in Medien nur gefragt wird, um eine Frage zumindest gestellt zu haben, weil sie von der Öffentlichkeit erwartet wird, die genauso erwartet, dass keine echte Antwort erfolgt, sondern eine Parole. Solch eine Frage will keine Antwort, sie will nur die Nicht-Antwort demonstrieren.

Findet solch ein Spiel vor aller Augen – zum Beispiel live im Fernsehen – statt, ist dies vielleicht eine Performance, für die man nach Lust, Laune und Sympathie Applaus und Abscheu zum Ausdruck bringen kann, Erkenntnisgewinn ist wenig zu erwarten. Findet es im privaten Zusammenhang statt, nennt man so ein Verhalten wohl „nicht sinnvoll“ oder auch „Frechheit“. Grundsätzlich, wenn gefragt wird und Kommunikation das Ziel ist, sollten nicht stereotype Fragen gestellt werden, nicht wie etwa nach einem Schirennen die ewig selben Phrasen.

 

Sweet little lies

Allerdings, dies sei zugegeben, sind kleine Lügen oft angenehmer für beide Kommunikationspartner*innen als ehrliche Antworten, wer will schon wirklich eine „wahre“ Antwort auf „Wie geht’s?“ Das erwartete „Danke, gut“ lässt viele Interpretationsmöglichkeiten offen, die dem, was das Gegenüber fühlt, näher kommen als der Wortsinn von „gut“.

Dennoch, für Politiker*innen sollte die Möglichkeit etwa zu sagen „Wir arbeiten für Österreich“ durch entsprechende Fragen unmöglich gemacht werden. Dann wäre auch die Fortsetzung mit „Das war nicht meine Frage“ obsolet geworden. Vielleicht braucht es dafür mehr Zeit, mehr Charme, weniger Ritual, vielleicht sogar Einfühlungsvermögen. Ich nenne jetzt keine Namen für Meister*innen des Nicht-Antwortens, ich betrachte es allerdings fast als Zirkus irregeleiteter PR-Strategien für Befragte -  mit Fragen Stellenden, die ihre Zuflucht beim eigenen Ego suchen.

 

Joseph Roth und Karl Valentin

Für mich persönlich bedeutet der Rubrikentitel „genug gefragt“, dass ich stärker vom fragenden Journalismus zum beschreibenden komme, auch wenn das Zitat von Joseph Roth von bleibender Gültigkeit ist, dass die Leser*innen in den Zeitungen nur den Fragesätzen trauen mögen. Das Ego-Kommentieren aber ist mir vergällt: auch da gilt der Karl Valentin Satz „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen“. Klar gehöre ich zu „allen“, aber es fällt mir immer schwerer, mich zu empören. Noch immer will ich „Meinung“ durch Recherche und Analyse ersetzen und bemühe mich möglichst wenig selektiv wahrzunehmen. Auch weil ich draufkomme, dass mir die, von denen ich dachte, sie stünden mir nahe, im Diskurs oft genauso fernstehen, wie die, von denen ich das annahm.

 

“genug gefragt“ als Podcast

Noch eine „Ich-Botschaft“ von mir: ich erlaube mir nun, Texte, die ich eigentlich für Lesende schreibe, auch zu sprechen. Weil ich den Verdacht habe, dass manche lieber zuhören, als ständig auf den Bildschirm zu schauen. Ich hoffe auf ein wenig Freude bei den Zuhörenden, ganz nach dem Motto „Wer nicht lesen will, kann hören“.

 

NEU: hier und jetzt auch zu hören

 

8.12.2019

Gegenstand Abstraktion Dimension