rainer rosenberg

 

 

genug gefragt

 

NEU: hier und jetzt auch zu hören

 

Grünoase

Nachbarschaftspolitik. Zuerst hört man Gerüchte. Dann tauchen Transparente auf, es werden Wohnungen angeboten, auf einem Haus, das früher der Öffentlichkeit gehört hatte. Man schiebt die Gedanken an einen möglichen Neubau möglichst weit weg. Und dann hängt ein Zettel am Hauseingang. Nachbarn und Nachbarinnen weisen auf einen geplanten Bau hin, der das Grätzel verändern wird. Geschätzt eine Verdoppelung der Anzahl der Wohnungen in der Nähe, maximale Bau-Ausnützung des Grundstücks, auf dem dann ehemals das Magistratische Bezirksamt gestanden sein wird. Die meisten Bäume sollen gefällt werden.

Werbung auf der Homepage des Baubetreibers: „Durch den umliegenden Altbestand an Bäumen entsteht ein neues hochwertiges Wohnumfeld inmitten einer Grünoase.“

 

Die Bäume jenseits der Grenze

Die Bäume der Nachbarn sollen also die grüne Kulisse für den Neubau bieten: 120 Wohnungen, 120 Garagen. Eigentum. Erwartete Preise laut Auskunft zwischen 6000 und 10000 € pro Quadratmeter Wohnfläche, ab 36000 € für einen Garagenplatz, mehr als die meisten Autos kosten, die dadurch beschützt werden sollen.

Wien braucht Wohnungen, die Stadt Wien verkauft Eigengrund, die BUWOG liefert. Hochpreisiges Eigentum für die, die sich‘s ohnedies aussuchen können. Die Geschichte ist rot (im selben Bezirk steht der Karl Marx Hof), die Gegenwart rot/grün. Oder sollte man sagen: BUWOG. Die handelt, wie man im ungebremsten Kapitalismus handelt: sie strebt nach Gewinn. Als Grundsatz gilt fast überall: so billig wie möglich bauen, so teuer wie möglich verkaufen. Dafür privatisierte die Stadt auch ihre Grundstücke.

Man ist versucht zu sagen: hoffentlich wenigstens zu Marktpreisen. Echte Hoffnungen sind längst geschwunden: eine ökologisch/sozialdemokratische Politik, die Grundstücke und deren Verwendung zur öffentlichen Diskussion stellt – hätte eine kleine grüne Oase anstatt des städtischen Rechenzentrums an der Zweierlinie dem Stadtklima geschadet? Musste dort an (oh, schon wieder) die BUWOG verkauft werden? Wäre es nicht eine Großtat gewesen, in der Innenstadt statt ein – ja interessantes – Kaufhaus zu ermöglichen, ein Grundstück für offenen Raum im dichtverbauten Gebiet anzukaufen? Inzwischen, das ist anzufügen, vergibt die Stadt statt zu verkaufen nur mehr Baurechtsverträge für Gemeindegründe.

 

Klimawandel und Pflanzenleben

Über vergebene Chancen lässt sich gut sprechen, aber beim Vergeben von Chancen zuzusehen fällt schwer. Also was tun in der Gatterburggasse: Anrainer gibt es nur wenige, einige haben sich zusammengetan, eine Homepage gegründet, Daten zusammengetragen, an den Bezirksvorsteher appelliert. Daniel Resch ist ziemlich neu in seinem Amt, er verweist auf seine Nicht-Zuständigkeit und sein Bitten um Verständnis für das Leben lassen von Bäumen, auch wenn die Rodung schon genehmigt ist.

In der Nachbarschaft wurde bereits ein Exempel statuiert, rund um das Casino Zögernitz, wo einst Lanner und Strauß aufspielten. Der Deal: Casino wird erhalten, die Bäume rundherum müssen dran glauben. Statt ihnen wird eine „Wohnresidenz“ errichtet. Es gab einiges an Bürgerprotest, uninteressante Architektur vergangener Jahrzehnte wurde mit uninteressanter Architektur der Gegenwart ergänzt (ich vermeide das Wort „hässlich“ bei Architekturdiskussionen absichtlich, es hängt zu stark vom persönlichen Geschmack ab). Der Protest hat nichts erreicht, aber die Basis des Projekts war wenigstens ein Tauschgeschäft. Beim Projekt in der Gatterburggasse ist kein für die Öffentlichkeit und die Bürger*innen sinnvoller Tausch zu erkennen: Viel Bau, weniger Grün, keine Deckung des Wohnbedarfs derer, die am Markt wenig Chancen haben.

Aber immerhin: die Nachbarschaft stellt ja protestierend die Kulisse zur Verfügung – „Durch den umliegenden Altbestand an Bäumen entsteht ein neues hochwertiges Wohnumfeld inmitten einer Grünoase.“

Detailliertere Informationen der Bürger*innen-Initiative hier, Stichwort „Grünklima19“.

 

Ich-Botschaft

30.1.2020