NEU: hier und jetzt auch zu hören
Grünoase
Nachbarschaftspolitik. Zuerst hört
man Gerüchte. Dann tauchen Transparente auf, es werden Wohnungen angeboten, auf
einem Haus, das früher der Öffentlichkeit gehört hatte. Man schiebt die
Gedanken an einen möglichen Neubau möglichst weit weg. Und dann hängt ein
Zettel am Hauseingang. Nachbarn und Nachbarinnen weisen auf einen geplanten Bau hin,
der das Grätzel verändern wird. Geschätzt eine Verdoppelung der Anzahl der
Wohnungen in der Nähe, maximale Bau-Ausnützung des Grundstücks, auf dem dann
ehemals das Magistratische Bezirksamt gestanden sein wird. Die meisten Bäume
sollen gefällt werden.
Werbung auf der Homepage des
Baubetreibers: „Durch den umliegenden Altbestand an Bäumen entsteht ein
neues hochwertiges Wohnumfeld inmitten einer Grünoase.“
Die Bäume jenseits der Grenze
Die Bäume der Nachbarn sollen also
die grüne Kulisse für den Neubau bieten: 120 Wohnungen, 120 Garagen. Eigentum.
Erwartete Preise laut Auskunft zwischen 6000 und 10000 € pro Quadratmeter
Wohnfläche, ab 36000 € für einen Garagenplatz, mehr als die meisten Autos
kosten, die dadurch beschützt werden sollen.
Wien braucht Wohnungen, die Stadt
Wien verkauft Eigengrund, die BUWOG liefert. Hochpreisiges Eigentum für die,
die sich‘s ohnedies aussuchen können. Die Geschichte ist rot (im selben Bezirk
steht der Karl Marx Hof), die Gegenwart rot/grün. Oder sollte man sagen: BUWOG.
Die handelt, wie man im ungebremsten Kapitalismus handelt: sie strebt nach
Gewinn. Als Grundsatz gilt fast überall: so billig wie möglich bauen, so teuer
wie möglich verkaufen. Dafür privatisierte die Stadt auch ihre Grundstücke.
Man ist versucht zu sagen:
hoffentlich wenigstens zu Marktpreisen. Echte Hoffnungen sind längst
geschwunden: eine ökologisch/sozialdemokratische Politik, die Grundstücke und
deren Verwendung zur öffentlichen Diskussion stellt – hätte eine kleine grüne
Oase anstatt des städtischen Rechenzentrums an der Zweierlinie dem Stadtklima
geschadet? Musste dort an (oh, schon wieder) die BUWOG verkauft werden? Wäre es
nicht eine Großtat gewesen, in der Innenstadt statt ein – ja interessantes –
Kaufhaus zu ermöglichen, ein Grundstück für offenen Raum im dichtverbauten
Gebiet anzukaufen? Inzwischen, das ist anzufügen, vergibt die Stadt statt zu
verkaufen nur mehr Baurechtsverträge für Gemeindegründe.
Klimawandel und Pflanzenleben
Über vergebene Chancen lässt sich gut
sprechen, aber beim Vergeben von Chancen zuzusehen fällt schwer. Also was tun
in der Gatterburggasse: Anrainer gibt es nur wenige, einige haben sich
zusammengetan, eine Homepage gegründet, Daten zusammengetragen, an den
Bezirksvorsteher appelliert. Daniel Resch ist ziemlich neu in seinem Amt, er
verweist auf seine Nicht-Zuständigkeit und sein Bitten um Verständnis für das
Leben lassen von Bäumen, auch wenn die Rodung schon genehmigt ist.
In der Nachbarschaft wurde bereits
ein Exempel statuiert, rund um das Casino Zögernitz, wo einst Lanner und Strauß
aufspielten. Der Deal: Casino wird erhalten, die Bäume rundherum müssen dran
glauben. Statt ihnen wird eine „Wohnresidenz“ errichtet. Es gab einiges an
Bürgerprotest, uninteressante Architektur vergangener Jahrzehnte wurde mit
uninteressanter Architektur der Gegenwart ergänzt (ich vermeide das Wort
„hässlich“ bei Architekturdiskussionen absichtlich, es hängt zu stark vom
persönlichen Geschmack ab). Der Protest hat nichts erreicht, aber die Basis des
Projekts war wenigstens ein Tauschgeschäft. Beim Projekt in der Gatterburggasse
ist kein für die Öffentlichkeit und die Bürger*innen sinnvoller Tausch zu
erkennen: Viel Bau, weniger Grün, keine Deckung des Wohnbedarfs derer, die am
Markt wenig Chancen haben.
Aber immerhin: die Nachbarschaft
stellt ja protestierend die Kulisse zur Verfügung – „Durch den umliegenden
Altbestand an Bäumen entsteht ein neues hochwertiges Wohnumfeld inmitten einer
Grünoase.“
Detailliertere Informationen der
Bürger*innen-Initiative hier, Stichwort
„Grünklima19“.