rainer rosenberg

 

 

Hauptsache es rollt

 

 

Anfragebeantwortung

19.9.2018

 

„Was machst Du da eigentlich?“ fragte Leserin H. nach der Lektüre von „Ich fahre – also um die Wette“. Ich dachte, dass das im Text ausreichend angesprochen wurde, für H. schien es offensichtlich unwahrscheinlich, dass ich mit einem kleinen Einsitzer Autorennen fahre. Auf Rennstrecken in Österreich und im angrenzenden Ausland, mit historischen Autos und KollegInnen im Alter zwischen 16 und 80 Jahren um Positionen zu kämpfen schien ihr wohl zu seltsam.

Was mache ich also an einem Rennwochenende wie dem vergangenen beim Histo-Cup am Salzburgring?

Freitag: mein kleines Werkzeug einpacken, feuerabweisende Kleidung zusammensuchen (Unterwäsche, Overall, Schuhe, Handschuhe, Haube, Helm), Campingsessel als Ablage in der Box ins Auto legen. Zur wunderbaren Werkstätte fahren, in der das Rennauto (Van Diemen RF88, Formel Ford 1600) frisch durchgesehen steht, Auto auf Anhänger laden, nach Salzburg fahren. Dort das Auto abladen. Draufkommen, dass eine Trainingsgelegenheit knapp bevorsteht.

Also Abladen, rein in die Box, 20 Liter in den Benzinkanister. Auto betanken, Achtung, dass der Tank nicht übergeht. Luftdruck prüfen – vorne 1,0, hinten 1,1 atm. Helm, Handschuhe, Häubchen herrichten, Lenkrad abnehmen, einsteigen, Lenkrad wieder montieren, mit dem 6-Punkt Gurt anschnallen, Gurten spannen, Brille runter Häubchen anziehen, Helm aufsetzen festschnallen, Brille in den Helm zwängen, HANS und Helm verbinden, Handschuhe anziehen. Gerade noch rechtzeitig fertig geworden zum Trainingsbeginn. Rausfahren, zufrieden und entspannt circa 10 Runden drehen, die Strecke ist noch so, wie beim letzten Mal, das Auto funktioniert, bereit für das Qualifying am nächsten Tag.

Samstag: Nachdem am Vorabend die Batterie an das Ladegerät angeschlossen wurde, ist sie nun aufgeladen (diese Rennautos haben aus Gewichts und Leistungsverlustsgründen keine Lichtmaschine, deshalb muss nach jeder Session geladen werden), es wird nachgetankt, der Luftdruck geprüft (es hat sich ja die Außentemperatur geändert). Qualifying um 13h, dieselbe Einsteigprozedur wie am Vortag, (Ladegerät abstecken nicht vergessen!), anstarten, kurz warmlaufen lassen, gemeinsam mit den anderen rausfahren, Reifen anwärmen, ein paar schnelle Runden versuchen, mit den mehrmaligen Abbrüchen gut gelaunt umgehen (manchmal rutscht ein/e KollegIn raus oder hat einen Defekt und steht an gefährlicher Stelle auf der Strecke…) Die meisten haben einen Lap-Timer an Bord, ich bin altmodisch und schaue erst nach dem Fahren auf die Zeit. Diesmal war die schnellste Runde 1’42, danach beim Rennen sollte ich auf 1’40 kommen.

17h30: das erste Rennen, starte aus Reihe 8, für mein Auto ist das ok, es fahren viele KollegInnen mit schnelleren Autos, eine Runde hinter dem Safety Car, dann fliegender Start, in der Startreihenfolge durch die erste Schikane, dann sollen wir 12 Runden fahren. Ich versuche zu überholen, mal gelingt es, mal nicht, einmal werde ich übersehen, stark bremsen, über die Curbs in die Wiese ausweichen, werde zweiter in meiner Klasse.

Siegerehrung, es gibt so viele unterschiedliche Fahrzeugkategorien, dass die meisten Teilnehmer einen Pokal bekommen, manche tragen sie stolz nach Hause, andere schenken sie Kindern als Spielzeug.

Sonntag: ein zweites Rennen, die Strecke ist am Beginn rutschig, ein paar überholen, dann Abbruch wegen eines Defekten Autos auf der Strecke… eon paar Punkte für die Jahreswertung gehen sich aus, ich kann noch immer mit dem zweiten Platz in der Klasse rechnen, angenehmerweise ist das ein Wochenende mit Regen nur bei der Anfahrt.

Vor der Siegerehrung ein Bosna und Apfelschorle wie man hier auch zu Obi gesprotzt sagt, Auto auf den Anhänger laden, festzurren, die guten Reifen, die nicht benötigt wurden in den Kofferraum des Zugfahrzeugs geben, und dann langsam Richtung Wien fahren, das Auto zum Mechaniker bringen, das Tor der Werkstätte öffnen, sich freuen, dass jemand da ist, der an seinem Oldtimer schraubt, Anhänger ab kuppeln, in die Garage schieben, den Ersatzteil für ein Auto, den einem jemand mitgegeben hat einlagern, das Tor schließen, ohne Anhänger nach Hause fahren.

Das mache ich also an einem Rennwochenende. Dazwischen: diesmal in Salzburg Freunde treffen, nicht über Autos sprechen, das neue Buch von Michael Ondaatje fertig lesen, die Nachrichtenlage beobachten, sich wundern über die Welt.

 

PS: ein ganz interessanter Satz kam von einem Boxennachbarn, der schon Jahrzehnte lang Rennen fährt, zuerst mit Motorrädern jetzt mit einem zweisitzigen Mclaren CanAm Rennwagen: „Das ist das beste Rennauto, das ich je hatte: es meldet so sensibel zurück wie ein Steinway Flügel“. Der Mann ist Klavierbauer und handelt mit Steinway-Flügeln, die er sehr bewundert…

 

Ich fahre - also um die Wette

13.8.2018

 

Praegarten

31.8.2008