Hauptsache, es rollt.
Die Bilder zum Buch
Etappe 5
Unscharfe Bilder - alte Geschichten
ORF-Filmstill
bearbeitet. Kameramann: Hermann Dunzendorfer
Ein Roadmovie
sollte das Etappenziel einer Leidenschaft sein. Das passende Auto war
angeschafft, die Leidenschaft war die Liebe zu italienischen Cantautori. Schließlich war ich ja zwei
Jahre beim Fernsehen und hatte davor bedeutende italienische Schriftsteller
(Italo Calvino!) und Chansonniers und Liedermacher für das Radio interviewt.
Ich las deutsch und italienisch, lernte auf der Kinderschaukel als Vorschulkind
in Rimini (oder war es doch Lignano?) uno, due, tre…
zählen.
In Italien
war mein Vater anders, meine Mutter bewunderte ihn für seine italienischen
Sprachkenntnisse, und wenn er einen Campari Soda trank, bekam ich eine
Aranciata. Keine Ahnung, was meine Mutter wollte. In der Erinnerung war ich mit
meinem Vater in den Bars und konnte an der Theke zu ihm aufschauen. Ich glaube,
das tat ich nur in Italien.
Ich habe den
Eindruck, dass Mutter für die Lektüre in der Familie zuständig war und Vater
für die Musik, für Autos – und die Italienliebe, die ich nie mehr loswurde.
In
Italien wird gerne gesungen, wurden und werden Geschichten in Liedern erzählt,
dürfen traurige Helden hochleben, darf die Obrigkeit gerufen und gleichzeitig
verachtet werden.
Vielleicht
ist ja nicht Italien das Experimentierfeld Europas,
sondern dessen Umgang mit Autorität.
ORF-Filmstill
bearbeitet. Kameramann: Hermann Dunzendorfer
Vieles
ist rätselhaft, lokale Mythen verbinden sich mit antiker Geschichte, der
Vatikan hat zwar immer mehr seines Umlandes an den Laizismus verloren. Der
Staat, so scheint es manchmal, kanalisiert allenfalls Konflikte zwischen Clans,
Kartellen und anderen Formen organisierter Kriminalität.
So wie
die „Stadtindianer“, diese anarchische Gruppe im Bologna der 1970er Jahre,
symbolisch die Freilassung der Ziere der Zoos forderten, träumte „Radio Alice“ von
einer anderen Welt. Es sollte ein freies Radio geben, um, „Denen eine Stimme zu
geben, die nie eine hatten“. Cantautori nahmen damals
vielfach Partei für Streikende und Protestierende. Claudio Lolli zum Beispiel
hatte ein Naheverhältnis zu Radio Alice.
ORF-Filmstill
bearbeitet. Kameramann: Hermann Dunzendorfer
Der
zweite hinter der spiegelnden Windschutzscheibe neben Lucio Dalla ist Gianni
Morandi, Schlagerstar, kein Cantautore, aber auch er
kommt aus Bologna, und singt gerne mit, wenn z.B. die Emilia im
Lied von Francesco Guccini gepriesen wird.
ORF-Filmstill
bearbeitet.
Politik
weicht einer Heimatliebe, alltäglichen Sorgen der Freude am Singen, und
vielleicht sollte auch die Begeisterung für Fußball nicht unerwähnt bleiben.
Z.B. bei Antonello Venditti.
Zur
Feier des Meistertitels 1983 der AS Roma gab es eine
große Party am Gelände des ehemaligen Circo Massimo
mit seinem „Grazie
Roma“
als Höhepunkt (Herbert Prohaska war Teil der Meistermannschaft).
ORF-Filmstill
bearbeitet. Kameramann: Hermann Dunzendorfer
Auch wenn sich alles ändern muss, damit alles gleichbleiben
kann, wie wir von Tomasi de Lampedusa in „Der Leopard“
gelernt haben, ist es schon sehr seltsam, wenn die Wege der Menschen mit dem
Altern immer wieder z.B. in andere politische Richtungen gehen als früher. Von
ganz links nach weit rechts ist in Italien keine Seltenheit.
ORF-Filmstill
bearbeitet. Kameramann: Hermann Dunzendorfer
Vielleicht ist ja Italien besonders es
selbst, wo gesungen wird. In der Kirche, am Fußballplatz, bei Festen. Die Cantautori griffen alte Traditionen auf – wie zum Beispiel Teresa de Sio. Sie hat neue alte Volkslieder gesungen, bevor sie mit Brian
Eno oder Stewart Copeland zusammenarbeitete.
ORF-Filmstill
bearbeitet.
Dem
Überschwang eines jugendlichen Publikums hat sich Paolo Conte einst entzogen, indem er
erst spät selbst öffentlich zu singen begann, zunächst ließ er andere vor. So
konnte Adriano Celentano zuerst in „Azzurro“ singen, dass „der Zug der
Sehnsucht in die Gegenrichtung fährt“, womit wir schon wieder bei der Italo-Dialektik
sind. „Das Gegenteil ist wahr“.
Aber
wann gilt welches Gegenteil? Möglicherweise gilt alles gleichzeitig: Schrecken
und Neugierde, Euphorie und Trauer, lachen und weinen.
Etappe 1: Ich fahre - also um die Wette
Etappe 3: Drei Hochzeiten und ein Motorschaden
Etappe
4: Spiele - nicht nur mit dem Schatten